Schach & Geschichte: Der Ursprung des Schachbretts
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Es ist ein Brett, das für viele Menschen die Welt bedeutet. Das Schachbrett. Ein aus 64 Feldern in einem 8 x 8 großen Raster angeordnetes Spielsystem. Und es ist weitaus mehr, als nur der Untergrund für eine Reihe von historischen Spielen. Es ist auch von mathematischer Bedeutung und offenbart mit dem richtigen Blick eine ganz neue Sicht auf die Spielmechanik des Schachs. In diesem Artikel möchte ich euch eine Übersicht über den historischen Ursprung und einen Einblick in die auf 64 Feldern stattfindende Mechanik gewähren.
Zeichnung der Startpositionen im Schach aus der „Cyclopedia of Valuable Receipts“ von Henry B. Scammell, 1897
Der Ursprung des Schachbretts
Wenn auch nur ein Mythos, so gilt die Reiskornlegende als ein erster Hinweis auf den Ursprung des Schachs und somit auch den Schachbrettes. Nach dieser Legende erschuf der in Indien lebende weise Brahmane Sissa ein Spiel, dass seinem tyrannischen König aufzeigen sollte, wie abhängig ein Herrscher von seinen Untertanen ist und ohne diese nichts auszurichten vermag. Dieses Spiel nannte er Schach. Der tyrannische König – sein Name war Shihram – war sehr beeindruckt von dem Spiel und ließ es in alle Himmelrichtungen entsenden. Durch die Erkenntnisse aus dem Schachspiel erlangte er zudem auch Vernunft und Milde, was ihm zu einen besseren Herrscher machte. Aus Dank gewährte er Sissa einen Wunsch. Dieser wünschte sich Reiskörner. Und zwar eine Menge, die sich von Schachfeld zu Schachfeld zu verdoppeln vermag, bis alle Felder des Schachbrettes erfüllt seien. Der König war verwundert, da er den Umfang unterschätze. Doch er wies seinen Schatzmeister an, die benötige Menge zu besorgen. Nach Errechnung der erforderlichen Menge musste dieser ihm jedoch mitteilen, dass das Königreich nicht über genügend Reiskörner verfüge. Es wären ca. 730 Milliarden Tonnen Reis nötig gewesen. Und so lernte der König eine weitere Lektion, die ihm seine Urteilsfähigkeit aufzeigen sollte. Auch wenn der geografische Ursprung der Legende nicht in indischen Quellen belegt wird, so verweisen doch arabische Schriften auf Indien als Schauplatz der Geschichte.
Die am weitesten zurückliegende und tatsächliche Nennung eines dem Schachbrett ähnlichen Spielbrettes stammt aus dem indischen Spiel Ashtāpada. Dieses bestand, wie auch Schach, aus einem 8 x 8 großen Spielfeld, welche Ashtāada genannt wurde. Im Gegensatz zum Schach verfügte es jedoch nur über gleichfarbige Spielfelder und es wurden sogenannte Burgen mit Markierungen auf dem Spielfeld gekennzeichnet, auf denen Spielfiguren nicht geschlagen werden konnten. Eine andere Spielvariante konnte auch auf einem 10 x 10 großen Spielfeld gespielt werden und nannte sich Daśapada. Eine kleinere Spielvariante auf einem nur 5 x 5 Felder großen Spielfeld trug den Namen Chomal Ishto und wurde mit Muscheln als Spielsteine gespielt.
Die genauen Spielregeln von Ashtāpada sind nicht überliefert. Einige Schriftsteller haben angenommen, dass es sich um eine Art Wettrennen um die Gewinnung und Zurückeroberung der markierten Burgen handelte und dass auf dem Spielfeld im und gegen den Uhrzeigersinn gespielt wurde. Die Annahme beruht auf Aufzeichnungen, die vermuten lassen, dass für die Figurenbewegung Würfel verwendet wurden. Kritiker halten eine solche Spielweise hingegen für unwahrscheinlich, da die Spielmechanik bezogen auf überlieferten Materialien sehr unübersichtlich wäre. Was nun stimmt, wird leider nicht mehr zu ermitteln sein, sollte nicht noch zufällig ein gut erhaltenes Spiel auftauchen. Die Ähnlichkeit zum Schach jedoch ist offensichtlich und der direkte Nachfolger von Ashtāpada wird auch nach aktuellen Erkenntnissen als einer der Vorgänger des Schachs gehandelt: Chaturanga bzw. Chatrang.
Chaturanga, Im Persischen auch Chatrang genannt, ist der direkte Vorläufer des Spiels Schatrandsch und zeigte bereits erste Spielfiguren, die einen gesellschaftlichen und militärischen Bezug haben. Chaturanga bedeutet übersetzt so viel wie „vierteilig“ und nimmt Bezug auf die Truppengattung des damaligen indischen Heeres: Infanterie, Kavallerie, Kriegselefanten und Streitwagen. Das Spielfeld glich dem Ashtāada und hatte ebenfalls 64 in einem 8 x 8 großen Raster aufgeteilte Felder. Leider sind auch für Chaturanga die Bewegungsmuster der Spielfiguren nicht vollständig überliefert und die wenigen Erläuterungen, die vorliegen, sind zwar dem Schach ähnlich aber oftmals widersprüchlich. Im 11. Jahrhundert wurde eine Spielvariante für vier Spieler dokumentiert, die sich Chaturaji nannte. Im Gegensatz zum Zwei-Personen-Spiel wurden in diesem Würfel anstelle der freien Figurenbewegung verwendet. Ob unterschiedliche Farben für die Felder Verwendung fanden, ist ebenfalls nicht überliefert.
Spielaufstellung für Chaturaji, auf einem Ashtāada mit Chaturanga-Spielfiguren (R. C. Bell, Board and Table Games from Many Civilizations, 1980, S. 53)
Aus Chaturanga bzw. Chatrang entwickelte sich im 7. Jahrhundert der Nachfolger Schatrandsch. Auch wenn sich die Regeln in diesem Spiel vom heutigen Schach unterscheiden, so sind die Ähnlichkeiten unverkennbar. Nur die Sonderregeln und die Bewegungsmuster der heutigen Dame und des heutigen Läufers wiesen deutliche Unterschiede auf. Es war auch Schatrandsch, welches zwischen dem 10. und 11. Jahrhundert Europa erreichte und den Grundstein des modernen Schachs legte. Aufzeichnungen aus dem 14. Jahrhundert zeigen noch, dass das Spielfeld nicht unbedingt mehrfarbig gewesen sein muss, wenngleich das typische Schwarz-Weiß-Muster schon vereinzelt in historischen Schriften vorhanden war.
Gegen Ende des 15 Jahrhundert erlangte das Spiel durch Regeländerungen wie die Einführung des Doppelschritts des Bauern, die Rochade und die neuen Bewegungsmuster für Läufer und Dame, seinen heutigen Zustand: das moderne Schach. Aufzeichnungen verwendeten nun in der Regel das mehrfarbige Muster und die taktische Analyse von Spielen nahm auch verstärkt Bezug auf die Feldfarbe. Insbesondere die Bindung des Läufers an seine Feldfarbe und der ständige Wechsel der Feldfarbe vom Springer waren Themen, die eine Hilfestellung für das eigene Spiel darstellten. Auch wenn diese Darstellung das eigentlich Spiel nicht veränderte, so vereinfachte sie zumindest die Beurteilung der aktuellen Figurenstellung. Die Spieler konnten anhand der Feldfarben nun einschätzen welche ein Wert der gegnerische Läufer in Bezug auf die eigene Königsstellung hat oder welche einen Einfluss die Bauernstruktur auf den weiteren Spielverlauf nehmen konnte. Nachfolgend eine nähere Erläuterung.
Beurteilung des gegnerischen Läufers
Der Läufer zielt auf den sich noch in Sicherheit befindlichen König
In diesem Beispiel zielt der schwarze Läufer auf den weißen König. Letzterer ist zwar in Sicherheit und durch seine Figuren geschützt, doch muss dem weißen Spieler klar sein, dass der gegnerische Läufer einen größere Gefahr darstellt und einen erhöhten Wert hat, solange er den König im Laufe des Spiels angreifen kann. Es stellt sich hier also früher oder später die Frage, ob Weiß den König bewegt und Tempo einbüßt, oder den Läufer schlägt oder zumindest verdrängt. Anhand der Feldfarbe kann der weiße Spieler bereits früh anhand der Struktur des Schachbrettes beurteilen, dass der gegnerische Läufer auf dem schwarzen Feld in der derzeitigen Situation einen höheren Wert hat als der Läufer auf dem weißen Feld.
Beurteilung des eigenen Läufers
Der eigene Läufer wird durch die eigene Bauernstruktur geschwächt
Dass auch eine scheinbar stabile Bauernstruktur seine Vor- und Nacheile haben kann, zeigt dieses Beispiel. Die Struktur bildet hier ein geschlossenes Zentrum und die eigenen Bauern belegen die schwarzen Felder. Dies führt dazu, dass der eigene Läufer auf den schwarzen Feldern blockiert und somit sein Wert für die Offensive gesenkt wird. Der Läufer ist quasi inaktiv und kann nur passiv als Verteidiger der Bauern aktiviert werden. Zwar ist das nicht gänzlich wertlos, stell aber eine Wertumverteilung vom Läufer auf die Bauern dar. Der sich hingegen daraus ergebende taktische Nutzen liegt im Figurentausch. Sollte der Läufer längerfristig nicht ins Spiel finden, so könnte er als Opfer dienen, um den Gegenspieler zu überraschen. Auch ein Abtausch mit einem höherwertigeren Springer wäre sinnvoll, sollte sich dieser auf die Königsseite in das Angriffsfeld des eingeschränkten Läufers bewegen. Auch kann die Struktur der Feldfarben als Hilfestellung genutzt werden, um gegnerische Läufer einzukesseln, sei es durch das Blockieren von Bauern oder Angriff auf die jeweilige Feldfarbe. Eine gut verteidigte Feldfarbe kann somit unter Umständen den Gegenwert eines Läufers abbilden.
Der taktische Nutzen der Schachbrettfelder
Auch wenn die taktische Beurteilung des Spielverlaufs anhand der Feldfarben trivial erscheint, so bietet es doch viel Potenzial für Analysen. Abgesehen von den oben genannten Beispielen können Denkmuster nach Farben durchaus zu Zeitersparnis in Endspielen führen oder eine Hilfestellung bei der Strategieentscheidung bieten. Auch Mattmuster können Farbkombinationen aufzeigen, die zur Orientierung herangezogen werden können. Des Weiteren hat die Feldfarbe natürlich auch kosmetische Gründe und bietet Orientierung beim Spielfeldaufbau. Die Seite eines jeden Spielers hat immer ein schwarzes Feld unten links bzw. ein weißes unten rechts. Die Dame steht in der Startposition immer auf dem Feld ihrer eigenen Farbe während die beiden Läufer gegensätzliche Feldfarben besetzen.
Doch neben der reinen Optik verfügen viele Schachbretter auch über eine Reihen- und Linienbeschriftung, die als Koordinaten eine Notation von Schachzügen erlaubt. Die heute bekannte Beschriftung auf dem Schachbrett verzeichnet – fortlaufend betrachtet aus der Sicht des weißen Spielers – die Buchstaben a bis h auf der Querachse und die Zahlen 1 bis 8 auf der Hochachse. Die daran angelehnte Schachnotation erfolgt in einer algebraischen Darstellung, welche sich jedoch erst im Laufe des 20. Jahrhundert und durch die Anerkennung als Standard durch die FIDE durchgesetzt hat. Zuvor wurden die Züge beschreibend erläutert, was nicht unbedingt Kennzeichnungen auf dem Schachbrett erforderte. Auf kleineren und Amateur-Turnieren werden in der Regel Beschriftungen auf Schachbrettern verwendet, um Notationsfehler zu minimieren. Auf bedeutenden Turnieren, die auf elektronischen Schachbrettern ausgetragen werden, findet keine handschriftliche Notation statt, um die Konzentration der Teilnehmer auf das Spiel fokussiert zu lassen.
Schach-Set mit Schachfiguren aus Plastik und einem Vinyl-Schachbrett mit Koordinaten-Beschriftung
Übliche Materialien für Schachbretter
Grade bei größeren Spielveranstaltungen oder im Trainingsbetrieb werden oft Schachbretter in Form von Matten auf Kunststoff- oder Vinylbasis verwendet. Diese eignen sich sehr gut dafür, eine größere Anzahl an Schach-Partien zur gleichen Zeit bei günstigen Beschaffungskosten abzuhalten. Zudem sind sie leichter im Transport. Der Klassiker ist hingegen das Holzschachbrett. Durch eine Vielzahl an verschiedenfarbigen Hölzern kann das Schachbrett auf traditionelle und nachhaltige Weise abgebildet und mit der Holzschnitzkunst von Schachfiguren in Einklang gebracht werden. Hölzer, die sich für Schachbretter eignen und eine breite Farbpalette abbilden, sind in der Regel Ahorn, Mahagoni, Walnuss und Wengé. Das klassische Schwarz eines Schachbrettes wird bei den meisten Brettern durch das Beizverfahren, auch Ebonisierung genannt, geschaffen. Hierbei nimmt das Holz durch den chemischen Prozess des Beizens auf der Oberfläche des Holzes einen schwarzen Farbton an. Alternativ kann auch auf seltene Holzarten wie das Stammholz von Ebenholzgewächsen zurückgegriffen werden, das von Natur aus über eine schwarze Färbung verfügt.
Ich hoffe, dass ich dir ein paar interessante Hintergründe über das Schachbrett aufzeigen konnte, die du zum Teil auch in deiner eigenen Spielanalyse anwenden kannst.
Solltest du Interesse an einem Schachbrett haben, so schau dir gerne mein Sortiment an Holz-Schachbrettern in Turnierformat an.
Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.
Bis bald.
Stefan