Schacheröffnung: Die Skandinavische Verteidigung
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Eine seit den 15. Jahrhundert bekannte, aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts ernstgenommene Schacheröffnung ist die Skandinavische Verteidigung. Sie zeichnet sich durch eine aktive und aggressive Spielweise aus und bringt die Dame früh ins Spiel. Nach 1. e5 d4 schlägt der weiße Bauer auf d4 und wird danach von der Dame geschlagen. Diese weicht daraufhin auf a5 aus und beide Spieler entwickeln ihre Schachfiguren regulär.
Ein früher Abtausch der Damen ist möglich und kann sogar Schwarz einen Vorteil verschaffen. Aufgrund des offensiven Spielstils mit der Dame in den ersten Schachzügen war die Skandinavische Eröffnung jedoch lange Zeit sehr unpopulär, da das damit einhergehende Risiko stark von der gängigen Eröffnungstheorie und den sich daraus ergebenen Empfehlungen abwich. Diese Ansicht hat sich mittlerweile geändert, weshalb die Eröffnung heute auch auf Großmeisterniveau gespielt wird – wenngleich aufgrund des leichten Nachteils für Schwarz eher als eine Art Überraschungsangriff.
Die Skandinavische Verteidigung wurde 1858 von Adolf Anderssen im Wettkampf gegen Paul Morphy populär gemacht und wurde von Esteban Canal im Jahre 1934 als Eröffnung der Unsterblichen Peruanischen Partie gewählt. Auch wählte Viswanathan Anand die Skandinavische Verteidigung, als er 1995 gegen Garri Kasparow bei der Weltmeisterschaft antrat, die Partie jedoch verlor.
Stärken der Skandinavischen Verteidigung
Die gestiegene Popularität dieser Eröffnung ist auf eine Reihe von Vorteilen zurückzuführen, die Schwarz zum Sieg verhelfen können:
- Aktives Spiel:
Durch das Opfern des schwarzen Bauern (1.e4 d5 2.exd5…) öffnet sich das Spiel frühzeitig und ermöglicht ein aktives Spiel für Schwarz. Beispielsweise kann Schwarz früh seine Dame und beide Läufer ins Spiel bringen. - Asymmetrische Strukturen:
Die Eröffnung führt zu asymmetrischen Stellungen und beeinflusst stark die Bauernformationen beider Spieler. Dies eröffnet Chancen für Kreativität und taktische Kombinationen, die nicht in klassischen Eröffnungsmustern enthalten sind. - Kampfgeist:
Die Skandinavische Verteidigung ist berühmt für ihren kämpferischen Charakter. Schwarz greift früh das Zentrum an und kann beispielsweise versuchen, den weißen Springer auf c3 mit der Dame zu binden. Daraus können viele dynamische Spielstellungen resultieren, in denen beide Spieler versuchen, die Initiative zu erringen. - Überraschungseffekt:
Die Skandinavische Verteidigung ist bekannt, wird jedoch nicht so häufig gespielt. Das bedeutet, dass viele Gegenspieler auf sie möglicherweise nicht so gut vorbereitet sind. Der Gegner könnte somit auf unbekanntes Terrain geführt und aus seiner Komfortzone gebracht werden. - Flexibilität:
Innerhalb der Skandinavischen Verteidigung gibt es viele verschiedene Varianten und Zugfolgen. Je nach Spielstil können somit unterschiedliche Spielverläufe angestrebt werden.
Schwächen der Skandinavischen Verteidigung
Obwohl die Skandinavische Verteidigung Stärken zeigt, so gibt es auch einige potenzielle Schwächen:
- Verlust des Zentrums:
Durch den Zug 1...d5 kann Weiß direkt mit seinem Bauern schlagen. Schwarz gibt das Zentrum damit vorübergehend auf und ermöglicht es Weiß, eine starke zentrale Position einzunehmen und mehr Kontrolle über das Brett auszuüben. - Entwicklungsverzögerung:
Durch die Eroberung des Bauern auf d5 durch Weiß verliert Schwarz bei der Rückeroberung des Bauern an Tempo. Oftmals durch das Schlagen und das darauffolgende Zurückziehen mit der Dame oder eines Doppelzuges mit dem Springer. - Fehleranfälligkeit:
Insbesondere für Anfänger ist die Skandinavische Verteidigung schwer zu spielen. Sie vernachlässigt die Entwicklung der Schachfiguren und fokussiert ein aggressives Spiel. Dies erfordert jedoch viel Übung und ein ausgeprägtes Verständnis für die möglichen Spielverläufe. - Erhöhtes Risiko: In einigen Spielvarianten wird der Bauer mit der Dame zurückerobert und diese dann weiter auf a5 oder d6 aus den Gegenangriff herausbewegt. Dadurch entsteht mit ihr eine Angriffsoption für den weißen Spieler, die dieser fokussieren kann.
Mögliche Verläufe der Skandinavischen Verteidigung
Durch die offensive Spielweise geht die Skandinavische Verteidigung schon früh in verschiedene Spielvarianten über:
Gegenschlag mit der Dame und Ausweichen auf a5
Schachzüge:
1.e4 d5 2.exd5 ♕xd5 3.♘c3 ♕a5 4.d4 c6 5.♗d2 ♘f6 6.♗d3…
Nachdem Schwarz den Bauern im Zentrum mit der Dame geschlagen hat, zieht er diese auf d5, um den Angriff des Springer auszuweichen und diesen gleichzeitig an den König zu fesseln. Weiß kann diese Fesselung mit seinem Läufer abschwächen und sogar die Dame mit einem Abzug des Springers bedrohen. Die schwarze Dame hat mit dem Feldern c7 und d8 aber sichere Schachfelder, auf die sie sich zurückziehen kann. Sollte Weiß hingegen auf den Abzug des Springers verzichten, so könnte Schwarz sogar mit den eigenen Läufer auf b4 dagegenhalten. Egal welcher Spielverlauf auch eintritt, Schwarz profitiert stets von einer stabilen Bauernstruktur, wohingegen die weißen Bauern auf der Damenseite von den eigenen Schachfiguren blockiert werden. Bei dieser Variante handelt es sich um die Hauptvariante der Skandinavischen Verteidigung und sollte zuerst analysiert und verinnerlicht werden, um ein Gefühl für die Eröffnung und die aggressive Spielweise zu erhalten.
Gegenschlag mit der Dame und Rückzug
Schachzüge:
1.e4 d5 2.exd5 ♕xd5 3.♘c3 ♕d8 4.d4 ♘f6 5.♘f3…
Als Alternative zur offenen Positionierung der Dame bietet sich auch der Rückzug auf die Ausgangsposition an. Auf den ersten Blick stellt dieser Schachzug einen hohen Verlust an Tempo dar und scheint auch grundsätzlich gegen die gängige Schachtheorie zu verstoßen – insbesondere gegen die Eröffnungsregeln. Doch in dieser Situation wird der Nachteil für Schwarz dadurch abgeschwächt, dass Weiß einen Vorstoß mit seinen Bauern auf der d-Linie nicht mehr mit einen e-Bauern unterstützen kann. Möchte Weiß also vom Rückzug der schwarzen Dame profitieren und das Zentrum erobern und absichern, so müsste er ebenfalls einen Verlust an Tempo hinnehmen. Das Spiel konzentriert sich daher ab diesem Zeitpunkt auf die Entwicklung der Schachfiguren. Schwarz hat hier zum Beispiel die oft gespielte Option, auf der Königsseite ein Fianchetto aufzubauen.
Gubinsky-Melts-Variante
Schachzüge:
1.e4 d5 2.exd5 ♕xd5 3.♘c3 ♕d6 4.d4 ♘f6 5.♘f3…
Die Gubsinky-Melts-Variante ist ein sehr populärer Verlauf der Skandinavischen Verteidigung. Schwarz zieht seine Dame nicht auf d8 zurück, sondern stoppt vor seiner Bauernkette und hält sie aktiv auf dem Schachbrett. Weiß wird hier versuchen, über seine Springer einen Angriff auf die schwarze Damenseite und das Zentrum auszuüben. Um dies zu verhindern, sollte Schwarz den Springer mit c6 abwehren und kann dann beispielsweise ein Fianchetto auf g7 anstreben. Den zentralen Springer wird Weiß mit seinen Läufer auf f4 unterstützen und damit dafür sorgen, dass sich der Konflikt im Zentrum des Schachbrettes abspielt. Auch wenn die Spielstellung nach ein paar Zügen ausgeglichen erscheint, so sollte Schwarz darauf achten, mit der Rochade nicht in Verzug zu kommen.
Fazit
Die Skandinavische Verteidigung nimmt eine kleine Sonderstellung unter den Eröffnungen ein. Obwohl sie kleinere Schwächen aufzeigt, wird sie auch auf höheren Niveaus dennoch gelegentlich gespielt. Das macht sie zu einer Eröffnung, von der jeder Spieler einmal gehört haben sollte. Aufgrund ihrer Risiken sollten Anfängern von der Skandinavischen Verteidigung zunächst jedoch Abstand nehmen. Die Schachzüge sind sehr gewagt und stellen den Spieler vor hohe Herausforderungen im Stellungsspiel. Für fortgeschrittene Spieler ist sie aber durchaus geeignet und kann auch stärkere Gegner verunsichern.
Ich hoffe, dass mein Guide dir eine gute Einführung in die Skandinavische Verteidigung vermitteln konnte. Solltest du noch weitere Fragen haben, so schreibe mir gerne über mein Kontaktformular. Und wenn du Interesse an Schachfiguren oder Schachbrettern in Turnierformat hast, so schau auch gerne einmal in meinem Sortiment vorbei.
Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.
Bis bald.
Stefan