Chess & Strategy: The Underrated King

Schach & Strategie: Der unterschätzte König

Das Herzstück des Schachspiels ist der König, eine Figur, die zugleich das eigentliche Ziel des Spiels verkörpert. Den König zu fangen ist das oberste Gebot. Doch obwohl er das Hauptziel des Angriffs und somit stets gefährdet ist, verfügt er alleine nicht über die Mittel, sich zu verteidigen. Während sich die meisten Figuren mehrere Felder bewegen können, ist der König auf ein einziges Feld in jede Richtung beschränkt. Dies lässt ihn im Vergleich zu einem Läufer, einem Springer oder gar der Dame  sehr schwach erscheinen. Doch dieser scheinbare Nachteil kann täuschen, denn ein König ist im Vergleich immer noch stärker als ein Bauer und wird dennoch von den meisten Spielern stets zurückgehalten.

Nachfolgend möchte ich gerne die unterschiedlichen Spielphasen von dem Standpunkt des Königs aus betrachten und dir Tipps und Anregung für dein Spiel geben.

 

Die Eröffnung

In der frühen Phase des Spiels ist die Aktivität des Königs noch stark eingeschränkt. Er ist umzingelt von verbündeten Schachfiguren, kann sich nicht bewegen und überhaupt ist die Entwicklung der Läufer und Springer von höherer Bedeutung. Dennoch kann ein Schachzug entscheidend für den weiteren Spielverlauf sein: die Rochade. Mit ihr wird der König in Sicherheit und der Turm ins Spiel gebracht. Aus diesem Grund sollte auf das Rochieren nicht verzichtet werden. Zu welcher Seite rochiert wird hängt in der Regel von der Wahl der Eröffnung ab aber auch von der Reaktion des Gegenspielers und den generellen Möglichkeiten, die einem der Spielverlauf im Laufe der Anfangsphase bietet.

Rochade in der Eröffnung des Spiels

Der König rochiert in der Eröffnungsphase des Spanischen Spiels

Ein weiterer Grund den König in der Eröffnungsphase zu bewegen ist die Vorbeugung eines späteren Schachgebots. Ein solcher Schachzugsollte jedoch nur durchgeführt werden, wenn alle anderen Schachfiguren entwickelt und die eigene Taktik keinen zügigen Angriff vorsieht. Ein späteres Schachgebot kann normalerweise dadurch vorgebeugt werden, den König aus der Angriffsdiagonale eines Läufers oder weiter in die Deckung der Damenseite zu bewegen. Im ersteren Fall muss beurteilt werden, welche Stärke und taktischen Motive die gegnerischen Läufer aufweisen, damit sich ein solcher Schachzug lohnt. Im zweiten Fall muss beurteilt werden, wie gefährdet der König etwas weiter in der Mitte ist und ob der a2-Bauer Schutz benötigt.

Abgesehen von den oben aufgeführten Bewegungsmöglichkeiten gibt es nur wenige Gründe, den König anderweitig zu bewegen, ohne in Rückstand zu geraten.

 

Das Mittelspiel

Das oberste Gebot im Mittelspiel ist es, den König in Sicherheit zu halten. Der Grund dafür ist simpel. Aufgrund der vielen Entwicklungsmöglichkeiten im Spielgeschehen, ist das Risiko für den König in den allermeisten Fällen viel höher, als sein Angriffspotenzial. Doch in seltenen Fällen bietet es sich an, auch den König in den Angriff mit einzubeziehen. Ein solches Manöver wird „Wanderkönig“ oder auch „Königsmarsch“ genannt, wobei sich die Bezeichnung nur auf einen aggressiven König im Mittelspiel bezieht, nicht im Endspiel. Doch auch wenn die Einbeziehung des Königs sehr selten vorkommt und eindringlich davon abgeraten wird, so war es kein geringerer als Wilhelm Steinitz der sagte: „der König ist eine Kämpfende Figur“.

Weiß gewinnt aufgrund eines Angriffs mit dem König

Sieg für Weiß durch Angriff mit dem König im Mittelspiel

Wann oder unter welchen Umständen der König in den Angriff mit einbezogen werden kann, ist über eine Faustformel nicht zu bestimmen. Es kann mehr als eine der Königsdisziplinen des Mittelspiels angesehen werden, die mit den taktischen Fähigkeiten des Spielers an Potenzial gewinnt. Das wohl berühmteste Beispiel eines „Wanderkönigs“ wurde von Nigel Short und Jan Timman im Jahr 1991 gespielt. Short startete gegen Ende des Mittelspiels einen Vorstoß mit seinem König entlang des Königsflügels und half seiner Dame somit beim Schachmatt des Gegenspielers.

Unter Zugwang wird der König über das Schachfeld gejagt

Der König wandert unter Zugzwang bis in die gegnerische Grundreihe

Es ist jedoch auch möglich, dass der König aufgrund von Zugzwang zum Wandern gezwungen wird. Dies ist nicht gleichzusetzen mit dem bewussten Einsatz des Königs als Angreifer, doch es kann zum Teil imposante Spielmanöver auslösen. Die bekannteste Partie mit einem König unter Zugzwang ist wohl Edward Lasker gegen George Alan Thomas aus dem Jahre 1912. Lasker als weißer Spieler bot dem schwarzen König sieben Mal hintereinander Schach und ließ ihn bis zur Grundreihe durchlaufen, ehe er durch den Abzug des weißen König vom weißen Turm Schachmatt gesetzt wurde. Die Partie ging als „Immortal King Walk“ in die Schachgeschichte ein.

Der Vergleich beider Partien zeigt deutlich auf, dass ein bewusster Einsatz des König im Mittelspiel den Sieg herbeiführen kann. Doch ist dieser nicht sorgfältig geplant oder der König bei seinem Einsatz nicht ausreichend geschützt, so kann schnell das Gegenteil eintreten und der König wird über das Schachbrett gejagt.

 

Das Endspiel

In der Endphase des Spiels nimmt der König eine zentrale Rolle im Angriff ein. Da das Schachbrett nun größtenteils mit Bauern besetzt ist und die Leichtfiguren nur noch vereinzelt übrig sind, ist die Gefahr eines Schachmattes gering. Das Ziel im Endspiel verlagert sich von der Verteidigung des Königs hin zur Unterstützung der Bauern im Angriff, damit diese zu Damen werden. Der Spieler, der seine Bauernstruktur gut erhalten hat und seinen König aggressiv und gezielt einsetzt, hat die größten Siegeschancen. Dennoch gibt es ein paar Besonderheiten, die im Endspiel beim Bewegen des Königs beachtet werden sollten.

 

Die Quadratregel (The Square)

Bricht ein Bauer durch und droht, bis zu deiner Grundreihe durchzulaufen, so kannst du mit der Quadratregel schnell überprüfen, ob du ihn abfangen kannst.

Der König kann den Bauern abfangen, wenn er es in das Quadrat schafft

Der König kann mir seinen Schachzug in das Quadrat ziehen und den Bauern abfangen, wenn er auf seinem Weg nicht behindert wird.

Diese Regel zu verinnerlichen ist wichtig, da in Endspielen in der Regel Zeitdruck besteht und eine manuelle Berechnung zu lange dauern würde.

 

Endspiel mit König und Bauer

Neigt sich das Endspiel dem Ende und sind nur noch zwei König und ein Bauer auf dem Feld, so ist Vorsicht geboten.

Der weiße König muss feste Bewegungsmuster einhalten, um das Unentschieden zu vermeiden

Schwarz ist am Zug, doch der weiße König verteidigt seinen Bauern. Der schwarze König versucht ihn zu verdrängen und den Bauern zu schlagen.

Diese klassische Stellung ist problematisch für Weiß. Der Spieler muss darauf achten, seinen Bauern immer auf den vordersten Reihen zu verteidigen. Tut er dies nicht, so hat der Schwarze König die Möglichkeit, sich den Bauern zu nähern. In diesem Beispiel kann sich der schwarze König auf die Felder d6 oder f6 bewegen. Weiß würde seinen König daraufhin auf f5 oder d5 bewegen und somit den Durchmarsch seines Bauern schützen. Nähert sich der schwarze König, so kann der weiße Bauer aufrücken und ihn verdrängen.

 

Zwei wichtige Regeln für das Endspiel mit König und Bauer:

  • Der Bauer darf niemals auf gleicher Höhe wie sein König stehen. Dann hätte Schwarz die Möglichkeit ein Unentschieden zu erzielen.
  • Der weiße König zieht nie vor seinen Bauern, wenn nicht zuvor der schwarze König auf die Reihe des Bauern gezogen ist. Auch hier wäre ein Unentschieden die Folge.

 

Endspiele mit Dame, Turm, Läufer und Springer

Wenn noch nicht alle Leichtfiguren oder Schwerfiguren auf dem Schachbrett geschlagen wurden, so kann der König auch im Verbund mit ihnen den gegnerischen König schachmatt setzen. Ich habe diese sogenannten Mattmuster in einem Artikel über Schachfallen und Schachfehler ausführlich beschrieben, werfe da gerne einmal einen Blick rein.

 

Fazit

Für viele Spieler ist der König eine Schachfigur, die in Sicherheit gebracht und bis zum Spielende nur unter Zwang bewegt werden sollte. Doch das wird dem König nicht gerecht. Natürlich muss er unter allen Umständen beschützt werden. Doch eine allzu passive Haltung führt auch zu einem Verlust an Angriffskraft. Auf einem weniger stark umkämpften Feld kann der König den Unterschied machen und zwischen Sieg und Niederlage entscheiden. Insbesondere im Endspiel ist ein Verzicht auf einen angreifenden König eher ein Risiko als eine Sicherheit. Daher ist es wichtig, sich mit den taktischen Möglichkeiten des Königs auseinanderzusetzen und gerade im Endspiel ein aggressiveres Spielverhalten zu verinnerlichen.

 

Ich hoffe, dass ich dich ein wenig ermuntern konnte, deinen König aktiv ins Spiel zu bringen. Bei Fragen komme gerne jederzeit auf mich zu und schreibe mir über mein Kontaktformular.

Wenn du Schach auch auf dem Schachbrett spielst, schau doch einmal in meinem Sortiment an Staunton-Schachfiguren und Schachbrettern vorbei. Ich führe eine breite Auswahl an handverarbeiteten Produkten in Turnierformat.

Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.

Bis bald.

 

Stefan

 


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